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Rezension

Hendrik Bunke: Die KPD in Bremen. 1945-1968

Hendrik Bunke: Die KPD in Bremen. 1945-1968, PapyRossa Verlag, Köln 2001, 384 S., 22,50 EUR

Bunke beschreibt in seiner Bremer Dissertation eindrücklich den Niedergang der KPD in der Hansestadt. War jene einstmals sowohl was Mitglieder, Wähler als auch öffentliche Präsenz anbelangte, eine Massenpartei, wurde sie durch innerparteiliche Auseinandersetzungen, sektiererische Politik und nicht zuletzt antikommunistische Repression marginalisiert.
Da der Zeitabschnitt 1945 bis 1948 relativ gut erforscht ist, widmet sich Bunke diesem Zeitraum nur kursorisch: Im Oktober 1945 wird die KPD wiederzugelassen und ist bis Januar 1948 im Senat, der Bremer Landesregierung vertreten. 1946 treten zwei prominente KPD-Senatoren zur SPD über. Die KPD hat in diesem Zeitraum knapp 3000 Mitglieder und erreicht bei Wahlen ungefähr 20000 Stimmen, was einem Anteil von 6 bis 9 Prozent der Stimmen entspricht.
Im zweiten Kapitel widmet sich Bunke der Organisation und Struktur der Partei. Er stellt die verschiedenen Ebenen und Strukturen und die Nebenorganisationen, wie die FDJ oder die Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft vor. Hochinteressant sind die Angaben zur Alters- und Geschlechterverteilung: Hier zeigt sich die männliche Schlagseite und auch die tendenzielle Überalterung der Partei. Die Jahre 1949 bis 1952 waren auch von mehreren, aus heutiger Sicht unverständlich erscheinenden "Säuberungen" geprägt. Mehrere prominente und für die Öffentlichkeitswirksamkeit wichtige GenossInnen, darunter ehemalige SenatorInnen und die spätere Gruppe "Arbeiterpolitik", werden ausgeschlossen und damit die Parteiführung gegenüber der mehr im Interesse der Öffentlichkeit stehenden Parlamentsfraktion gestärkt. Viele verlassen wegen Differenzen die Partei und wechseln zur SPD. Bunke stellt hier die These auf, die vom Vorstand der Bundes-KPD erlassenen Direktiven seien in Bremen nur verspätet und abgeschwächt umgesetzt worden.
Kapitel vier berichtet über Politik und der Programmatik der Bremer KPD. Bis ca. 1951 konnte die KPD als heimliche Regierungspartei angesehen werden, da sie über erhebliche kommunal- und landespolitische Kompetenz verfügte. Ab 1951 nahm das Primat der "Nationalen Politik", der Kampf gegen Wiederbewaffnung und für die Wiedervereinigung dadurch überhand, dass von der KPD zu jedem kommunalpolitischen Thema krampfhaft der bundespolitische und internationale Bezug hergestellt wurde und sich die Partei damit im Klima des Kalten Krieges in eine zunehmende Isolation manövrierte. Trotzdem konnte sie noch ein Jahr vor dem Verbot bei der Bürgerschaftswahl 1955 um die 18000 Stimmen erreichen und damit in Bremen als einzigem Bundesland noch die 5 Prozenthürde überspringen.
Das fünfte Kapitel behandelt die Betriebs- und Gewerkschaftspolitik der KPD, den Themen, zu denen es die längsten und erbittertsten innerparteilichen Auseinandersetzungen gab. Es zeigt sich, dass die KPD schon ab Mitte der 50er Jahre keine große Rolle mehr in den Betrieben spielte, da sie die Betriebsgruppen für ihre "nationale Politik" instrumentalisierte. Das Gewicht und den positiven Ruf, den sie (noch) hatte, rührte mehr von der persönlichen Wertschätzung einzelner Mitglieder als von den programmatischen Positionen der Partei her. Im politischen Feld der Gewerkschaftspolitik ist eine politischen Linie der KPD zu konstatieren, die viele Mitglieder vor die Wahl stellte, sich entweder in der KPD oder in den Gewerkschaften zu engagieren, da beides zugleich aus Sicht der Gewerkschaften und der KPD, nicht vereinbar war.
In den letzten beiden Kapitel berichtet Bunke über das Vorgehen der Justiz gegen die KPD. Je mehr die KPD aus der öffentlichen Wahrnehmung und aus der staatspolitischen Einbindung verschwand, um so stärker wurde auch die Repression. Das Verbot 1956 wurde vergleichsweise human umgesetzt. Ihre Sitze im Bremer Stadtparlament (im Gegensatz zur Bürgerschaft, dem Bremer Landtag, die sie verlor) konnte die KPD unter dem Namen "Unabhängige Sozialisten" behalten. Bundesweit hatte die KPD 1956 80000 Mitglieder, davon waren ungefähr 10 Prozent aktiv. Der Aufbau in der Anfangszeit der Illegalität war hierarchisch: Gab es keine Anleitung von oben, erfolgten "unten" auch keine Aktivitäten. Ab ca. 1960 kommt es zu zaghaften Reformen, so kommen z.B. nun die Funktionäre aus Bremen, statt wie vorher aus ganz Deutschland abgeordnet zu werden; die lokalen Gliederungen erhalten auch tendenziell mehr Autonomie. Die illegalen KPD-Mitglieder engagieren sich in der Friedensbewegung und erreichen bei der Bürgerschaftswahl im Oktober 1959 in einer Wählerinitiative 10000 Stimmen (2,6 Prozent). Ab und zu erschienen illegale Publikationen, 1960 wurde die Deutsche Friedensunion (DFU) gegründet, die dann bei Landes- und Bundestagswahlen antrat, aber nicht mehr die Höhe der Ergebnisse wie die KPD erreicht.
Zusammengefasst liegt eine gute lokale Parteigeschichte vor, die reich an verarbeiteten Quellen ist. Die zentrale These der Arbeit, dass die Bremer KPD sich gegen "überzogene" Anforderungen der Bundesebene wehrte und damit ein vergleichsweise diskussionsfreudiges und liberales Binnenklima herrschte, mag unter klassisch-linken Kriterien und im Vergleich zu anderen Landesverbänden der KPD stimmen. Die von Bunke dafür angeführten Argumente sind nach Meinung des Rezensenten doch eher dem Mythos des "liberalen Bremen" geschuldet. Unter Zugrundelegung demokratisch-sozialistischer oder gar libertärer Maßstäbe und erst recht aus heutiger Sicht kann das Binnenleben der KPD nur als autoritär und entmündigend und die bundespolitische Programmatik als nationalistisch bezeichnet werden.

Bernd Hüttner

Erschienen u.a. in Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 52 (Dezember 2002).
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